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Interview 11/03 "Treff", Mitteilungsblatt im Nürnbergerland. |
Interview mit Schlagzeuger Ernst Grieshofer Was reizt am Trommeln?
Zwischen Tom-Toms, Basstrommel und Djembe dreht er auf:
Ernst Grieshofer ist einer der besten österreichischen Schlagzeuger und Percussionisten. Unter anderem arbeitete der Grazer mit der Tangavan Latin Band, Tiznao Latin Band, Curumin Brazilband, Adelhard Roidinger und Armin Pokorn zusammen. Als Begleiter des Internationalen Gitarrenfestivals kam er nach Hersbruck, das durch einige Workshops und Jam-Sessions inzwischen zu einer Art zweiter Heimat für ihn geworden ist. Er gibt nicht nur Kurse, auch die Musiktherapie ist sein Metier. Im Treff-Interview spricht er über den Zauber und die Wirkung des Trommelns. Sie sind ein Trommler mit Leib und Seele.
Wie kam es dazu?
Es war wirklich wie im Klischee: Ich habe schon als Kind gerne mit Stöcken auf allem Möglichem herumgeklopft, darum liebäugelte ich eigentlich immer mit der Trommel. Es kam aber anders: Zuerst musste ich Klarinette lernen. Wie das? Ich bin in Bad Aussee im Salzkammergut, also auf dem Land, aufgewachsen. Da hatte Volksmusik eine große Bedeutung. Eine Trommel oder ein Schlagzeug galten dort gar nicht als richtiges Instrument, darum hätten mir meine Eltern den Unterricht auch nicht bezahlt. Erst als ich meinen ersten Beruf, Kunstglaser, lernte, hatte ich das Geld, um mir ein Schlagzeug zu kaufen. Das war mit 17. Einen Lehrer hatte ich allerdings nie. Auch nicht für Percussion, da habe ich viel im Zusammenspiel mit lateinamerikanischen Gruppen mitbekommen. Man könnte sagen, ich habe das gelernt, wie ein Kind seine Muttersprache.
Was hat Sie am Trommeln so fasziniert?
Für mich ist es ein ganzheitliches Erlebnis. Mir gefallen auch andere Instrumente, Klavier und Klarinette zum Beispiel, aber sie sind auf einen bestimmten Teil des Körpers konzentriert. Am Schlagzeug sind ja sowohl Hände als auch Füße im Einsatz. Kann ich das nicht auch beim Sport erleben? Nicht so. Die meisten Sportarten haben doch recht monotone körperliche Abläufe. Ich bin überhaupt nicht gegen Sport. Ich war selbst Radrennfahrer und habe die Idee des Sports auch mit in die Musik hineingenommen. Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied: die unorthodoxen Bewegungsabläufe. Am Schlagzeug muss man sozusagen jedes Glied vom anderen trennen und doch den Überblick haben. Da reichen höchstens einige Disziplinen aus der Leichtathletik heran.
Liegt der Unterschied im Faktor Klang?
Genau. Er wirkt wie ein ständiges Feedback, nach dem ich mich richten kann. Auch im Zusammenspiel mit anderen Musikern. Es kommt dem natürlichen Bedürfnis entgegen, sich miteinander auszutauschen, ähnlich wie in einem Gespräch. Allerdings gibt es in der Musik noch eine feinere Art der Kommunikation, die schwer zu beschreiben ist. Das erlebe ich oft bei meinen Workshops. Die Teilnehmer fanden das gemeinsame Trommeln unglaublich toll, können dieses Erlebnis aber mit Worten nicht wirklich auf den Punkt bringen. Kann jeder Trommeln lernen? Nur bedingt Ja. Jeder kann es versuchen. Aber nicht alle sind begabt. Ich unterrichte seit 25 Jahren und weiß recht gut, dass manche nicht das richtige Gefühl dafür entwickeln können. Einige sind regelrecht schockiert darüber, dass sie nicht dazu in der Lage sind, im Wechsel mit Händen und Füßen zu klatschen und zu stampfen. Die Hälfte der Leute kann das nicht auf Anhieb. Aber gerade sie freuen sich wahnsinnig, wenn sie schließlich ein bisschen was zustande bringen. Ihre Freude ist manchmal sogar größer als die der Talentierten. Aber deshalb kann noch längst nicht jeder etwas für die Allgemeinheit Interessantes hervorbringen.
Das hört sich ja verheerend an. Sollte da nicht dringend bei Kindern die Koordinationsfähigkeit gefördert werden?
Das ist der Punkt. Ich halte das sogar für wesentlich wichtiger als zum Beispiel Mathematik. Wenn wie beim Schlagzeug der ganze Körper in Bewegung ist, verbessert sich die Verbindung zwischen linker und rechter Gehirnhälfte, die häufig blockiert ist. Eine rhythmische Schulung fördert die gesamte Wahrnehmung, das psychische Potenzial, die Gesundheit und die Intelligenz des Menschen.
Womit sollten Anfänger starten?
In meinen Workshops geht es mit kubanischen Congas los. Darauf lässt sich gut der Tumbao, der klassische Grundrhythmus vieler Stücke üben. Vielleicht noch ein bisschen besser geeignet sind afrikanische Djemben, weil sie durch ihr größeres Klangspektrum für Anfänger gleich ein starkes Erlebnis bieten.
Würden Sie nicht empfehlen, wie Sie mit einem Schlagzeug einzusteigen?
Doch, schon. Ich halte es für ideal, weil es am meisten Möglichkeiten bietet. Nur eine Kirchenorgel ist damit vergleichbar. Auch sie löst ein intensives körperliches Klangerlebnis aus und auch bei ihr sind Hände und Füße im Einsatz. Ich habe früher öfter auf einer Kirchenorgel gespielt - es war das gleiche ganzheitliche Erlebnis.
Interview: Michael Scholz